Ein „Heuler“ kommt selten allein…

In Gesellschaft eingefleischter Harry-Potter-Fans muss man nicht erklären, was gemeint ist, wenn man von einem „Heuler“ spricht. Für alle weniger magisch-affinen Menschen sei an dieser Stelle kurz gesagt, dass es sich in diesem Fall nicht um ein von der Mutter verlassenes Robbenbaby handelt, sondern um eine per Eulenpost versandte Sprachnachricht. Diese besondere Form der Kommunikation wird in der magischen Szene hauptsächlich von Eltern verwandt, um ihren zauberhaften Nachwuchs zur Ordnung zu rufen. Der „Heuler“ explodiert, wenn er nicht sofort geöffnet bzw. abgehört wird und in jedem Fall brüllt die Stimme des Schreibers die Schimpftirade in ohrenbetäubender Lautstärke hinaus, damit auch das Umfeld ohne große Anstrengung im Bilde ist.

Kommt Ihnen das vielleicht irgendwie bekannt vor – auch jenseits der Welt von Zauberstäben, Flugbesen und gefiederten Briefträgern? Richtig! Ich spreche von der allseits beliebten Sprachnachricht, die mittlerweile einen festen Platz in der Kommunikation per Smartphone hat – besonders bei Jugendlichen und somit auch bei den geplagten Eltern.

Ohne Frage haben Sprachnachrichten Vorteile. Ich muss nicht mit zusammengekniffenen Augen hochkonzentriert auf der Miniatur-Tastatur meines Smartphones ellenlange Nachrichten tippen und nebenbei die Autorkorrektur im Blick haben, die Sätze teilweise sehr eigenwillig zweckentfremdet. Rechtschreibung und Grammatik interessieren nur am Rande, denn wenn man sich gängiger Abkürzungen im Teenager-Jargon bedient, ist der Satzbau ohnehin nebensächlich. Auch Satzzeichen sind irrelevant und man muss nicht jeden Text mit zig stimmungsvollen Emojis garnieren. Zudem hört der Empfänger einer Sprachnachricht der Stimme des Absenders zumindest die ein oder andere Gefühlsregung an. Zeitlich ist man nicht limitiert und bekommt somit auch nicht wie früher beim Hinterlassen einer Botschaft auf dem Anrufbeantworter rüde das Wort abgeschnitten – eine Tatsache, die besonders Frauen zu schätzen wissen! So weit, so gut…

Die Technik steckt voller Tücken

Ich bin seit Jahren eifrige und größtenteils überzeugte Nutzerin eines Smartphones mit dem angebissenen Apfel auf der Rückseite, aber jede technische Verbesserung festigt bei mir die Überzeugung, dass so ein Smartphone ein gewisses Eigenleben führt – auch ohne Alexa inside. So manch unkontrollierte Aktion führt daher nicht nur zu gelegentlicher Überforderung meinerseits, sondern auch zu Situationen, in denen ich am liebsten im Erdboden versinken würde! Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur inständig empfehlen, nach Verwendung am besten JEDE App sofort wieder zu schließen!

Mein Smartphone der neusten Generation verfügt über die Funktion der Gesichtserkennung… Zwar nicht direkt morgens um sechs nach dem Aufstehen; da erkennt mich nicht mal der Hund. Diese sogenannte Face ID ist eigentlich eine feine Sache, denn man muss sich keinen nervigen, sechsstelligen Code merken und außerdem ist es gut für die Psyche: ich grinse mein Smartphone fröhlich an, das Display öffnet sich wie durch Zauberhand und präsentiert mir als Hintergrundbild meine flauschige Fellnase. Einfach, genial und macht gute Laune – zumindest meistens.

Nicht so genial ist es, wenn man in einem nicht ganz unwichtigen Gespräch mit Menschen sitzt, die man gerne davon überzeugen möchte, dass man eine gestandene Frau ist, die ihren Alltag, die Familie und den Hund souverän im Griff hat und sich durch Organisationstalente und eine hohe Belastbarkeit auszeichnet. Würde man mich im Alltag mit meiner Familie erleben, wäre letzteres ohnehin keine Frage. Mitten in dieser Gesprächsrunde registriere ich plötzlich aus den Augenwinkeln, dass sich auf dem Display meines Smartphone etwas tut, Benachrichtigungen gehen in schindelerregendem Tempo ein und sofort schlägt der mütterliche Instinkt Alarm. In einer kurzen Gesprächspause, in der Kaffee und Kekse an den Tisch gebracht werden, riskiere ich einen Blick auf das Display und erkenne, dass es in der Familiengruppe des uns verwandten Messengerdienstes rumort. Genau in diesem Moment erwischt mich übereifrig und ohne Rückfrage die Gesichtserkennung, der Sperrbildschirm verschwindet und ich lande direkt in der Messenger-App, die ich leider zuvor nicht geschlossen hatte. Zuletzt im Chat der Familiengruppe verblieben, lerne ich jetzt eine völlig neue Funktion kennen: nämlich dass sich Sprachnachrichten automatisch und fortlaufend abspielen – einfach so. Sie tun das nicht immer, sondern vermutlich nur in Situationen, in denen es kein Mensch braucht. Ich habe auch stark diese Hexe Siri in Verdacht, die nur auf den richtigen Moment wartet, um mir eins auszuwischen, weil ich ihr bei Abgabe ungefragter Klugscheißereien rüde über den Mund fahre.

„Was soll’s – irgendwas ist immer“

Die gesellige Runde wird nun Zeuge eines geschwisterlichen Tornados, den ich durch hektisches Drücken auf den Home-Button (den es nicht mehr gibt!) beenden will. Bis ich die Situation im Griff habe, lauschen die Herren sichtlich erschüttert dem noch nachhallenden Schrei meiner jüngsten Tochter, die sich mit der Fernbedienung des Fernsehers im Klo eingeschlossen hat und den wüsten Beschimpfungen ihrer älteren Schwester, die auf sofortiger Herausgabe besteht. Die Sprachnachricht meines Sohnes bricht mittendrin ab und ich hoffe, er hat sich zu seiner eigenen Sicherheit in eine der anderen Toiletten zurückgezogen – zum Glück gibt es in unserem Haus noch zwei weitere.

Was kann man in einer solchen Situation tun, um den Imageschaden so gering wie möglich zu halten? Genau! Ein liebenswürdiges Lächeln aufsetzen und schulterzuckend kommentieren: „Was soll’s –irgendwas ist immer!“  😉

 

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