Sobald das Wochenende mit sonnigem Wetter lockt, gibt es Menschen, die ein fast schon erschreckender Aktionismus befällt. Die schon im Morgengrauen energiegeladen aus dem Bett springen und die freien Tage mit unzähligen Aktivitäten verplant haben. Die Social Media Accounts solcher Menschen platzen aufgrund der geballten Demonstration an Freizeitaktivitäten fast aus allen Nähten. Da wird gewandert, geradelt, im Kanu gepaddelt oder der Sonnenaufgang beim Joggen festgehalten. Klettern, Yoga im Park, TRX-Outdoor-Training, Cross-Training in der Natur, Erlebniswandern, Zelten, Spaziergänge mit Alpaka-Begleitung, Standup-Paddling – auf jedem Foto sind lachende Menschen in Aktion zu sehen und sie scheinen selbst nach einer anstrengenden Arbeitswoche keine Pause zu brauchen. Wie machen die das??
Meine Sehnsucht am Wochenende: Ruhe!
Dann gibt es da noch Menschen wie mich! Ich werde alleine beim Anblick dieser geballten Aktivitäten müde und bekomme obendrein ein schlechtes Gewissen. Nach einer Woche, in der ich täglich mit den Befindlichkeiten dreier Teenager, dem Job, Bergen von Dreckwäsche, dem Brechdurchfall des Hundes und anderen unliebsamen Aufgaben jongliert und dazwischen tausend Kleinigkeiten erledigt habe, die ich am Abend nicht mal mehr wirklich benennen könnte, sehne ich mich samstags nach dem Großeinkauf nur noch nach einem: Ruhe!
Ich möchte im Garten sitzen, eine Weile stoisch den Apfelbaum betrachten und einfach mal NICHTS tun! Ich möchte eines meiner vielen ungelesenen Bücher lesen und für nichts zuständig sein müssen, außer vielleicht dafür, was abends auf dem Grill landet. Einfach mal ausprobieren, ab wann mein Schrittzähler Alarm schlägt, weil er hinter der Bewegungslosigkeit mein Ableben vermutet. Ich möchte nicht über die Frage nachdenken, was wir morgen machen, wohin wir wandern, ob es unterwegs was zu essen, einen Eissalon, einen Biergarten oder einen Kletterpark gibt. Ich möchte mir die Anstrengung ersparen, die Vorlieben von 5-7 kleinen und großen Menschen unter einen Hut bringen zu müssen und trotzdem die Hälfte maulen zu hören.
Wussten Sie, dass sich Libellen-Weibchen manchmal totstellen, um sich nicht mit einem Männchen paaren zu müssen?
Aus den oben genannten Gründen überfällt mich an verregneten Sonntagen ein geradezu überwältigendes Glücksgefühl! Wenn die Wettervorhersage eine Regenwahrscheinlichkeit von 95% mit Hagel, Graupelschauern und Gewittern ankündigt, sinkt mein innerer Stresslevel um ein Vielfaches. Ein verregneter Sonntag entbindet mit einem Schlag von der Pflicht, das Haus verlassen zu müssen – abgesehen vom Pfützen-Gassi mit dem Hund. Man kann völlig ohne Druck darüber nachdenken, was man bei gutem Wetter gerne unternommen hätte, bezieht unmittelbar nach dem Frühstück Stellung auf der Couch und verbringt den Tag mit Netflix-Serien und Tier-Dokumentation, in denen man lernt, dass der große Tümmler die eine Hälfte seines Gehirns schlafen lassen kann, während die andere Hälfte hellwach bleibt und sich weibliche Libellen manchmal totstellen, um sich nicht mit einem Männchen paaren zu müssen. Ohne eine gewisse Dramatik kommt man offenbar auch in der Tier- und Insektenwelt nicht aus. Da es an so einem Tag ja nicht allzu viele Optionen gibt, gesellt sich nach und nach die ganze Familie dazu und es wird einfach so und ohne Stress ein Familienevent.
An Regentagen beschränken sich die Beiträge auf Social Media auf Fotos von schmuddeligen Hunden nach dem Pfützen-Gassi, auf Füße, die unter Kuscheldecken hervorschauen und auf die Frage an die Community, was man denn so macht. Die Antwort sind meistens Fotos von noch mehr Füßen, die unter Kuscheldecken hervorschauen. Die Gleichmäßigkeit, mit der der Regen gegen die Scheiben prasselt, hat etwas Beruhigendes und ich verfalle in eine Art meditatives Dösen. In meiner Netflix-Serie joggt die ambitionierte Hauptdarstellerin durch den Wald, das Sonnenlicht bricht sich in den leuchtend grünen Blättern. Wunderschön… Würde ich ja auch machen. Aber es regnet. Kann man nichts machen. Selbst, wenn man wollte. Vielleicht nächstes Wochenende. Aber erstmal abwarten, wie das Wetter dann wird… 🙂
Moin Frau Reichert,
dieser schöne Artikel könnte auch in Ihren Büchern stehen. Beide lese ich jetzt schon zum 5. Mal und muss so oft lachen, das ich hoffe es gibt bald einen dritten Band, Habe die Bücher schon häufig empfohlen und alle sind begeistert. So humorvoll einen großen Haushalt zu beschreiben, das kann niemand so gut wie Sie.
Einen schönen Tag und viele Grüße von
Sigrid Koch
Liebe Frau Koch, das freut mich sehr! Dass die Bücher auch nach dem 5. Mal noch für Heiterkeitsausbrüche sorgen und erfreuen – mehr kann man sich als Autorin nicht wünschen. Ganze liebe Grüße, Susanne Reichert