Es gibt verschiedene Dinge, die einem nachts den Schlaf rauben können – angenehme und weniger angenehme. Zu ersterer Kategorie gehören die Herr der Ringe-Trilogie mit über neun Stunden Gesamtspieldauer, spannende Bücher, die man einfach nicht aus der Hand legen kann und leidenschaftlicher Sex – meinem Mann ist es wichtig, dass ich darauf hinweise, dass die Reihenfolge zufällig gewählt ist! Zu der weniger angenehmen Kategorie gehören schnarchende Ehemänner, kranke Kinder, von Albträumen geplagte Kinder und hungrige Kinder – MIR ist es wichtig zu betonen, dass diese Reihenfolge NICHT zufällig gewählt wurde.
Aber es gibt etwas, das mir nicht nur den Schlaf, sondern auch den letzten Nerv raubt und das ist ein feiner, durchdringender Ton, der vorzugsweise dann in meine Ohren dringt, wenn ich kurz vor dem Eintritt in die Tiefschlafphase bin. Dieses Geräusch treibt meinen Puls schneller in die Höhe als das existenzielle Geschrei eines neugeborenen Babys. Ich rede nicht von einem temporären Tinnitus, der sich nach einem lauten Tag mit drei streitenden Kindern schon mal einstellen kann, sondern von dem miesen, fiesen Surren hinterhältiger Stechmücken.
Was diese Biester an Intelligenz vermissen lassen, machen sie durch Raffinesse wieder wett. Zwar ist es diesen blutsaugenden Parasiten in mehreren Millionen Jahren nicht gelungen, einen geräuschlosen Flugmodus zu entwickeln, um sich ihren ahnungslosen Opfern in aller Stille zu nähern, aber sie haben wohl im Laufe der Zeit einen siebten Sinn dafür entwickelt, wann das menschliche Unterbewusstsein das verräterische Surren der Flügelchen am ehesten überhört. Bevorzugte Opfer sind im Übrigen völlig übernächtigte Mütter, die ab einem gewissen Punkt des Schlafentzugs vor Erschöpfung auch einen fahrenden Güterzug neben dem Bett ausblenden könnten – zumindest die meisten. Mein Mann würde es auch bevorzugen, wenn ich diese Gabe hätte, aber leider bewegt sich das Fluggeräusch dieser heimtückischen Mini-Vampire für mich auf derselben störenden Frequenz, wie der Fluglärm über manchen Frankfurter Stadtteilen für die dortigen Anwohnerinnen und Anwohner. Galoppierender Herzschlag, Schweißausbrüche, flache Atmung und zitternde Knie sind nur ein paar der Reaktionen, die das gemeine Surren bei mir auslösen und schlagartig sind alle meine Sinne geschärft, während mein Mann im Halbschlaf lediglich mit leisem Gemurmel sein mäßiges Interesse an dieser Invasion bekundet, der ich quasi wehrlos gegenüberstehe.
Das hat sich geändert, seit wir unseren Haushalt mit diesen überaus praktischen Elektroschlägern ausgestattet haben, von denen immer zwei in unserem Schlafzimmer griffbereit liegen. Ja, Sie haben richtig gelesen: zwei! Ein Totalausfall der Batterien kann im entscheidenden Moment den ganzen Jagderfolg gefährden und so muss sich eine Zweitwaffe in unmittelbarer Nähe befinden. Der Vorteil dieser elektrischen Fliegenklatschen ist, dass ich auf helles Licht verzichten kann und mit dem Schläger dank der Ausmaße eines kleinen Tennisschlägers auch schon treffe, wenn ich das Surren nur grob orten kann oder auch nur den Hauch einer Mücke wahrnehme.
Seitdem ich jedoch nachts bewaffnet bis unter die Zähne auf die Jagd gehe, zeigt mein Mann ähnliche Symptome wie ich unmittelbar beim ersten feinen Surren. Mit flacher Atmung und Herzklopfen wirft er sich mit unserem Kater flach auf den Bauch. Das Vertrauen in meine Treffsicherheit in Kombination mit meinem – angeblich – leicht besessenen Blick, ist nicht besonders hoch und den beiden steht die nackte Panik in den Augen, wenn ich die nächtliche Jagd eröffne. Die Köpfe in den Kissen vergraben, wird mir vorgeworfen, dass ich völlig unkoordiniert um mich schlagen würde und man den zischenden Lufthauch ja sogar körperlich spüren könnte. ICH bin der Meinung, das ist lediglich die Mücke, die viel Wind macht und ihre letzten Kräfte mobilisiert, um außerhalb meiner Reichweite zu gelangen!
Ich möchte außerdem betonen, dass ich noch nie jemanden ernsthaft verletzt habe – abgesehen von den Stechmücken, die es regelmäßig das Leben kostete. Meine Quote kann sich in jedem Fall sehen lassen und nachdem ich den lästigen Biestern erfolgreich den Garaus gemacht habe, kann ich mich wohlig und zufrieden wieder in meine Kissen kuscheln. Mein Mann dagegen hat seit einiger Zeit ernstzunehmende Schlafstörungen und zeigt schon beim Einschlafen nervöse Züge, während der Kater neuerdings am liebsten unter der Decke liegt. Ich finde ehrlich gesagt, dass hier aus einer Mücke gerade ein Elefant gemacht wird …