Im Laufe ihres Lebens entwickeln große und kleine Menschen mitunter leicht schrullige Eigenheiten – Frauen jedoch deutlich seltener als Männer. Während man dies bei Kindern meistens noch milde lächelnd in Kauf nimmt, weil sich wiederholende Rituale Sicherheit und Urvertrauen vermitteln, spricht man mit zunehmendem Alter und gerade bei Frauen gerne von ausgewachsenen Macken – was größtenteils auf dem mangelnden Verständnis der Männer im Hinblick auf die Komplexität der weibliche Psyche beruht.
Während man(n) es bei dem niedlichen Nachwuchs absolut akzeptabel findet, wenn zwei Paletten Fruchtzwerge auseinandergerupft und farblich sortiert in den Kühlschrank geräumt werden, wird die farbliche Sortierung meiner Gewürzdosen in der Küchenschublade, auf deren Einhaltung ich peinlich genau bestehe, mit einem genervten Augenrollen kommentiert und regelmäßig ignoriert. Dabei ist es doch alleine für eine harmonischen Optik völlig logisch, dass das „Pizzagewürz“ (pink!!) vor dem „Steakgewürz“ (rubinrot) stehen muss.
Schnuller, Stofftier, Kuschelkissen
Unsere Kinder haben früher alle in einem peniblen Ritual mindestens fünf Schnuller in exakt festgelegter Reihenfolge um das Kopfkissen herum verteilt, damit nachts mindestens einer davon zu finden war. Außerdem mussten die Stofftiere der Größe nach aufgereiht an der Rückwand des Bettes sitzen und wehe, es ist eines aus der Reihe getanzt. Wenn ICH Wert darauf lege, dass das ganz große Kissen mit den flauschigen Soft Flocks unter dem mittelgroßen Kissen mit der waschbaren Füllwatte liegt und das kleine Kuschelkissen neben dem roten Stoffherz, das ich vor dem Einschlafen immer noch mit Aromaöl besprühe, googelt mein Mann nach Behandlungsmöglichkeiten von „besorgniserregenden Reaktionsketten“.
Ausgesprochen unlustig finde ich es auch, wenn ER meine Taschentücher aufbraucht, die immer in der rechten äußeren Ecke des Nachttischs liegen, neben den Hustenbonbons, den Nasentropfen, dem Nagelöl und dem Stapel Bücher, die als nächstes in einer bestimmten Reihenfolge gelesen werden sollen. Kaum sucht ein Mitglied meiner Familie etwas auf meinem Nachttisch, ist die ganze Ordnung dahin. Haben Sie nachts mal versucht, die Nase mit Nagelöl freizubekommen? Ich bin heute noch froh, dass das im Vergleich zu den gängigen Nagellackentfernern wenigstens acetonfrei ist!
Mein großes Kind hortet mit religiöser Inbrunst die Schmutzwäsche hinter der Badezimmertür, bis der dort aufgeschichtete Stapel, der nachdrücklich mit jedem Aufschwung eben erwähnter Tür fester an die Wand gedrückt wird, ungefähr die Höhe der benachbarten Kommode erreicht hat. Dann, aber auch wirklich erst dann, wenn dieser Berg das jüngste Familienmitglied fast unter sich begraben könnte, wird der müffelnde Monte Wäschelino entfernt. An dieses Ritual jedoch hat sich die restliche Familie mittlerweile gewöhnt. Man atmet einfach vorrübergehend flacher, wenn man das Badezimmer der Kinder betritt. Wenig Verständnis bringt man mir allerdings entgegen, wenn ich meine Sportklamotten mal über die Badewanne hänge, weil diese sonst im feuchten und verschwitzten Zustand den ganzen Wäschekorb vermüffeln würden. Wie lange meine Klamotten dort hängen müssen, entscheidet mein Bauchgefühl und es ist wirklich selten länger als eine Woche!
Gibt’s dagegen auch was von Ratiopharm?
Eine Familie entwickelt ja aber glücklicherweise auch gemeinsame Schrullen, die das Miteinander so herrlich individuell und unverwechselbar machen. So lassen meine Kinder immer einen kleinen Rest Essen auf ihren Tellern, den ich dann wie innerlich getrieben aufessen muss, weil ich keine Lebensmittel wegwerfen kann.
Gewohnheitsmäßig verlassen sie auch jeden Morgen das Haus ohne auch nur in Erwägung zu ziehen, ihre Betten wenigstens mal aufzuschütteln. Warum? Weil sie genau wissen, dass ich es niemals, auch nicht unter extremster Zeitnot aushalte, drei ungemachte Betten in der ersten Etage zu ignorieren. Da kann ich mir selbst vorgaukeln, ich wolle nur mal eben den Wäschestapel hinter der Badezimmertür richtig andrücken oder noch kurz nach meinen Kopfkissen schauen, während ich im Flur auf- und ablaufe – ich weiß trotzdem ganz genau, dass sich hinter den drei geschlossenen Kinderzimmertüren drei ungemachte Betten verbergen. Meinem Naturell entsprechend kann ich das Haus allerdings erst verlassen oder in Ruhe arbeiten, wenn das Bettzeug in den Bettkästen verstaut und die Stofftiere in Reih’ und Glied’ vor den Deko-Kissen sitzen. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen: dass mit den Stofftieren, das habe ich von meinen Kindern!
Die „Macker“ unter den Männern
Männer haben im Übrigen keine Schrullen, sondern ihre Handlungsweise basiert jederzeit auf Logik und Ratio. So ist es völlig logisch, dass der Rest der Familie schon im Auto sitzt und mein Mann im Haus noch einmal überprüft, ob Herd und Backofen ausgeschaltet und alle Fenster geschlossen sind – selbst wenn an diesem Tag noch nicht gekocht, gebacken oder gelüftet wurde; wobei letzteres nur die Kinderzimmer betrifft.
Ein guter Freund von mir, dessen Auto mit einer Zentralverriegelung ausgestattet ist, läuft trotzdem immer einmal um das Fahrzeug herum, um zu prüfen, ob alle vier Türen und der Kofferraum tatsächlich verschlossen sind. Angesichts des Misstrauens in diese Technik könnte man fast meinen, diese Funktion sei von einer Frau erfunden worden. Und mein Vater hat seine Kleidung abends exakt in der Reihenfolge übereinander gelegt, in der er sie am nächsten Morgen in umgekehrter Folge anzuziehen gedachte – auch im Urlaub und am Wochenende, um für einen Notfall entsprechend gerüstet zu sein. Völlig logisch, weil es im Falle eines Feuers oder sonstigen Umstands, der einen zwingt, fluchtartig die Wohnung zu verlassen, auch darauf ankommt, die Unterwäsche vor den Socken anzuziehen.
Wie kann man(n) denn da behaupten, wir Frauen wären merkwürdig, nur weil die Logik in unseren Handlungen vielleicht nicht ganz so offensichtlich zu erkennen ist? Abgesehen davon, meine Herren: „schräg“ ist das neue „geheimnisvoll“! Und mal ganz ehrlich: wie langweilig wäre diese Welt, wenn man(n) uns auf den ersten Blick durchschauen oder gar verstehen würde? J