Die Geschichte vom Suppen-Kaspar ist ein Klassiker, nur lockt sie heute leider zur Abschreckung kein Kind mehr hinter dem Ofen hervor. Schon meine jüngste Tochter hat mir mit ihren neun Jahren erklärt, es sei völlig unlogisch, dass jemand nach ein paar Tagen ohne Essen sterben würde. Ihre ältere Schwester hatte die Frage direkt am nächsten Tag im Biologie-Unterricht erörtert und nach einem minutenlangen, wissenschaftlichen Monolog, den ich mit stoisch gesenktem Blick über mich ergeben ließ, sind Märchen, Fabeln und Sagen nicht mehr Bestandteil meiner Erziehungsarbeit!
Ich koche wirklich für mein Leben gerne – und mindestens genauso gerne esse ich auch. Alleine schon weil mir Vieles so gut schmeckt, werde ich nie auf Kleidergröße 36 schrumpfen können und wer mich einmal während einer Diät erlebt hat, der zieht Vergleiche mit Obelix, der im Zuge einer Fastenkur auf sein geliebtes Wildschwein verzichten muss.
Kochen ist für mich im Normalfall kein Stress und ich liebe es, wenn in der Küche die herrlichsten Düfte der unterschiedlichen Gewürze und Kräuter aufsteigen. Gerade in der indischen und thailändischen Küche ist das mitunter ein wahrer Rausch für die Sinne – und noch dazu völlig legal! Von meiner Leidenschaft profitieren mein Mann und viele unserer Freunde, die Kinder jedoch beäugen jedes neue Gericht erst einmal wie ein kompliziertes chemisches Experiment. Und ganz ehrlich: wenn man Kinder hat, geht der Spaß am Kochen größtenteils flöten!
Seit Generationen beliebt: die HiPP-Gläschen
Bei meiner großen Tochter ging ich nach der Fläschchen-Phase noch völlig euphorisch ans Werk und habe mit Hingabe Karotten-Süßkartoffel-Brei oder Kürbis-Pastinaken-Pamps gekocht. Mit viel gutem Zureden hat sie dann tatsächlich ein paar Löffelchen geschluckt, vermutlich aus Versehen, und den Rest zur Freude unserer Kater in hohem Bogen in die Küche gespuckt – Trefferquote im Hinblick auf die Tapete und mein T-Shirt: 98%. Nach anfänglich beharrlichem Boykott der HiPP-Gläschen kapitulierte ich und beobachtete leicht beleidigt, wie das Zwergenkind gierig den Schnabel aufsperrte und in Rekordzeit eine ganze Portion fabrikgefertigen Nudel-Karotten-Pampes verputzte.
Das große Tochterkind ist bis heute ein sehr selektiver Esser und auch wenn die beiden Geschwister zumindest in dieser Hinsicht etwas unkomplizierter sind, macht das Kochen mittags für drei Kinder ähnlich viel Spaß wie ein Besuch beim Zahnarzt. Um den Frustrationspegel so gering wie möglich zu halten, verzichte ich auf exotische Lebensmittel, intensive Gewürze oder Zutaten, deren Namen nicht klar verständlich sind, um Irritationen oder eklige Vermutungen im Keim zu ersticken. Aber selbst bei klassischen Kindergerichten ist es nahezu unmöglich, etwas auf den Tisch zu bringen, das allen schmeckt.
Ich koche sehr gerne Gerichte im Wok. Alle Zutaten werden in einem Topf verarbeitet und manchmal kann man sogar gesundes Gemüse untermogeln, ohne dass es dem Nachwuchs direkt auffällt; die Betonung liegt auf „manchmal“, die Realität sieht oftmals leider anders aus. Während meine große Tochter fast nichts isst, was grün ist (signalisiert rein optisch schon zu viele Vitamine), mag meine kleine Tochter kein rotes Gemüse. Während also Kind Nr. 1 die Zucchini und die Lauchzwiebeln dekorativ am Tellerrand aufschichtet, sortiert Kind Nr. 3 die Paprika aus. Diese würde Kind Nr. 1 eigentlich essen, wenn besagte Paprika nicht vorher auf dem Teller ihrer Schwester gelegen hätten – sie ist ja schließlich kein „Müllschlucker“! Und natürlich liegt es ihr fern, die ihrerseits aussortierten Zucchini und Lauchzwiebeln abzugeben, es sind ja ihre!
Die Kinder 2 und 3 lieben Suppen aller Art, Kind 1 weniger und wenn, dann nur Kartoffelsuppe. Allerdings nur dann, wenn nicht so viele Kartoffeln verarbeitet wurden, weil sie sonst zu „kartoffelig“ schmeckt. Schwierig in einer Kartoffelsuppe, aber nicht unmöglich, da ich ihre Portion einfach mit einem Schuss heißem Wasser verdünne und somit die Menge der enthaltenen Kartoffelmasse im Teller abnimmt. Kürbissuppe oder Erbsensuppe isst sie auch nicht – erstere ist grellorange und deswegen irgendwie suspekt, letztere ist nun mal grün.
Als Kind Nr. 1 nach Jahren erfahren hatte, dass ich in meiner selbstgemachten Tomatensauce pürierte Zucchini verarbeitet habe, bekam es noch in derselben Nacht vor lauter Stress rückwirkend Brechdurchfall.
Nicht jeder mag den „Blubb“
Zwiebeln dürfen in jeder Form nur verarbeitet sein, wenn sie als solche nicht mehr zu erkennen sind und von Lasagne, Pizza und dergleichen wird der Käse abgekratzt, weil der zwar gut riecht, aber so harte Krusten bildet und braun wird. Braun ist zwar nicht grün, wird aber grundsätzlich als gefährlich eingestuft; schließlich kann man ja auch keine Bananen mehr essen, deren Schale braune Flecken hat, oder?
Selbst bei dem Klassiker Fischstäbchen mit Spinat und Kartoffelbrei scheiden sich die drei Geister: Kind Nr. 1 isst nur Fischstäbchen mit Kartoffelbrei (Spinat = grün). Mein Sohn möchte lieber Blattspinat, da dieser nicht so matschig ist und er zudem Verona F. affig findet, während das kleine Kind auf den „Blubb“ besteht. Und bevor Sie fragen: es gibt den klassischen Kartoffelbrei aus dem Beutel, weil der „andere“ (selbstgekocht und gestampft!) einfach ganz allgemein zu „kartoffelig“ ist!
Irgendwann hatte ich die Nase voll und habe mittags einfach zwei Dosen Ravoli mit Tomatensoße in den Topf gekippt und mit einem leichten Gefühl der Gehässigkeit auf den Tisch gestellt. Sie ahnen es vermutlich: in dem Fall waren sich die drei einig, DAS könnte ich öfter kochen! Ich habe es zur Kenntnis genommen und schweigend meinen gebackenen Schafskäse mit einer Marinade aus Knoblauch, Frühlingszwiebeln, getrockneten Tomaten und Olivenöl an grünem Salat mit einer Balsamico-Vinaigrette gegessen.
Mein Hund bekam an diesem Tag übrigens aufgrund einer Magenverstimmung gedünstete Hähnchenbrust mit Reis, geraspelten Karotten und Kokosöl und hat seine Schüssel bis auf das letzte Reiskörnchen ausgeschleckt. Wahre Gourmets erkennen sich eben auf den ersten Blick! J