Lassen wir den „Will to please“ doch dort, wo er hingehört!

Sie kennen den Begriff vielleicht aus Unterhaltungen mit Hundebesitzern… Den „Will to please“, also den „Willen zu gefallen“, findet man insbesondere bei einigen Hüte- und Arbeitshunden. Das Bild, das damit einhergeht, macht diese Hunderassen sehr beliebt, denn sie erzeugt die Vorstellung eines gelehrigen, anhänglichen und leicht erziehbaren Hundes.

Hunde mit einem ausgeprägten „Will to please“ sind leicht zu motivieren, wurden bewusst darauf gezüchtet, nah bei ihrem Menschen sein zu wollen, diesen fein lesen zu können und eine starke Kooperationsbereitschaft zu zeigen. Erfüllen diese Hunde ihre Aufgaben wie erwartet, sorgt nicht nur das Lob des Besitzers als „Verstärker“ für eine hohe Dopaminausschüttung, sondern zusätzlich auch noch die Erfüllung der Aufgabe an sich. Wenn ein Hütehund also Schafe hüten soll, wird er naturgemäß diese Aufgabe gerne ausführen, sie entspricht seinem natürlichen Bedürfnis und so wirkt die Erfüllung der Aufgabe selbstbelohnend; das wiederum verstärkt die Dopaminausschüttung um ein Vielfaches.

Ich gebe ehrlich zu, als ich diese Beschreibung gelesen habe, habe ich doch ein paar Parallelen zu meinem Leben erkannt. Auch meine Familie begrüßt es, wenn ich so nah an den einzelnen Familienmitgliedern dran bin, dass ich die unterschiedlichen Bedürfnisse fein lesen kann und begrüßt es grundsätzlich, wenn ich bei der Erfüllung eben dieser eine hohe Kooperationsbereitschaft an den Tag lege.

Was trotz meines mal mehr, mal weniger ausgeprägten „Will to please“ häufig ausbleibt, ist die längst überfällige Anerkennung. Auch die Dopaminausschüttung bei der Erfüllung meiner täglichen Aufgaben hält sich in Grenzen… Ich habe es noch nie als selbstbelohnend empfunden, wenn ich an 5 Tagen in der Woche den noch im elterlichen Haus verbleibenden Nachwuchs rechtzeitig aus dem Haus und in Richtung des nur mäßig beliebten Bestimmungsortes (Schule) gescheucht, dem Hund einen ordentlichen geformten Haufen bei der frühmorgendlichen Gassirunde entlockt, Wäsche aus dem Trockner in den Wäschekorb, Wäsche aus der Waschmaschine in den Trockner und Wäsche für die nächste Waschmaschine farblich sortiert, das Haus in einem halbwegs akzeptablen Zustand verlassen habe und mit hängender Zunge dann schlussendlich mit besagtem Hund auch mal in meinem Büro angekommen bin.

Nach dem morgendlichen Marathon denkt das Dopamin nicht mal im Traum daran, wenigstens eine kleine Dosis zur Steigerung der Motivation auszuschütten, geschweige denn, dass es Ruhm und Ehre hagelt… Ich bin in erster Linie erschöpft und wenig entspannt – und dass schon, bevor der Tag erst richtig losgeht.

Merke ich diesen doch sehr einseitig ausgerichteten Zustand in meinem Umfeld an, wird maximal mitfühlend gelächelt und mit den Schultern gezuckt. Lerneffekt meinerseits? Der ist eher mäßig… Unlogischerweise strenge ich mich oftmals noch mehr an, aber es kommt immer noch nichts. Jetzt könnte man meinen, mein Umfeld wäre Schuld, ignorant und empathielos – aber das ist ein Irrtum.

Unser „Will to please“ matcht nicht unbedingt mit unseren natürlichen Bedürfnissen

In dieser enormen Anstrengung, die nicht nur ich, sondern die viele Frauen auf sich nehmen, um es allen Recht zu machen und anderen zu gefallen, vergessen wir eins: Dass unser „Will to please“ nur in den seltesten Fällen unserem natürlichen Bedürfnis entspricht – unserem anerzogenen vielleicht… Frauen wurden und werden teilweise heute noch so erzogen, dass sie gefallen wollen – optisch und mit ihrem Verhalten. Mädchen werden von klein auf gelobt, wenn sie möglichst niedlich sind, nicht unbedingt dafür, wenn sie wagemutig und abenteuerlustig sind – oder klare Grenzen ziehen, indem sie Malte-Jerome die Sandschaufel über den Kopf ziehen, weil er zum dritten Mal nach dem Sandburgenbau-Equipment grapscht, das ihm nicht gehört.

Es geht also nicht darum, dass sich unser Umfeld oder insbesondere die Männer verändern müssen, sondern in erster Linie müssen wir selbst etwas verändern. Grenzen setzen, „Nein sagen, wenn wir „Nein“ meinen und das aufkommende schlechte Gewissen zum Teufel jagen, auch mal mit den Achseln zucken, wenn uns jemand nicht mag, statt uns daran abzuarbeiten, um ebendieser Person zu gefallen oder auch mal wütend werden, anstatt alles Wegzulächeln.

Insbesondere Wut wird Frauen gerne negativ ausgelegt, dabei ist Wut ein starker Multiplikator auf dem Weg der Veränderung. Ohne Wut wären Frauen nicht auf die Straße gegangen, hätten für das Wahlrecht, bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne, Gleichberechtigung oder geteilte Elternzeit gekämpft. Wut treibt uns an, Wut ermöglicht Entwicklung, Wut verleiht oft eine unbändige Kraft und lässt auch die Unsicherheit verstummen, die bei dem Gedanken aufkommt, dass wir mit unserem Tun anderen auf die Füße treten könnten.

Immer zweimal mehr als du

Wir machen uns das Leben auch gerne noch ein bisschen schwerer, indem wir uns mit anderen vergleichen. Wenn wir sehen, was die Elke von nebenan alles wuppt, dabei noch toll aussieht, mehrmals pro Woche „aus Spaß“ ins sportliche Bootcamp geht, beruflich erfolgreich ist, sich mit ihrem Mann zu regelmäßigen Play-Dates verabredet – Sie wissen schon – und ihre Kinder in jeder Phase ihres Lebens pflegeleicht, motiviert, musisch, naturwissenschaftlich oder sportlich begabt sind und das Haus immer tipptopp in Schuss ist – UND die Elke nach einem aufwendig gekochtem und rundherum gesundem Abendessen, das natürlich der ganzen Familie geschmeckt hat, noch mit unvermindertem Elan Lunchboxen für den nächsten Tag mit kreativen Snacks bestückt – dann MÜSSEN wir einfach noch einen obendrauf setzen und engagieren uns ehrenamtlich im Schulelternbeirat, im Verein für kulturelle Heimatpflege oder organisieren freiwillig das nächste Kindergartenfest, um auf jeden Fall mit unserer „freien“ Zeit etwas sinnvolles anzufangen … immer zweimal mehr als du!

Liebe wunderbare Frauen… eines gibt es noch, was Sie über den „Will to please“ wissen sollten! Geht es darum, dass Hund etwas tun soll, das nicht seinem natürlichen Bedürfnis entspricht, wird man auch hier positive Verstärker benötigen. Ansonsten kann es passieren, dass auch ein Hund vom Typ „Will to please“ schnellt lernt, dass es in seinem Umfeld sehr viel spannendere Dinge gibt als die Aufgabe, die er erfüllen soll.

Übersetzt bedeutet das: Wir müssen nicht in der Rolle der guten Fee alle Wünsche erfüllen, die unser Umfeld an uns heranträgt – es sei denn, dies entspricht unserem aktuellen oder unserem natürlichen Bedürfnis. Tut es das nicht, ist genauso in Ordnung, einfach mal die Hände still zu halten und NICHTS zu tun… Die für alle so bequeme 24-Stunden-Bereitschaft aufzukündigen und die Zuständigkeiten neu festzulegen.

Es ist ok, nach einem langen Arbeitstag den erwachsenen Sohn zur örtlichen Döner Turm zu schicken; satt wird er da auch und am Ende bringt er Ihnen vielleicht sogar noch was mit. Es ist ok, zwischen Job, Hund, Kindern und dem Kartoffelsalat für besagtes Kindergartenfest nicht auch noch für Tante Inge in den Supermarkt zu fahren, weil dort gerade die Dosensuppe mit Mettworscht im Angebot ist. Und es ist auch ok, die neue Jeans, ohne die das Tochterkind morgen unmöglich in die Schule gehen, kann nicht gewaschen zu haben, weil … einfach ohne Grund, weil unser Pensum tagtäglich sowieso unfassbar hoch ist.

Und um abschließend nochmal auf die Hunde mit einem starken „Will to please“ zurückzukommen… Auch wenn diese bereitwilllig ihre Bedürfnisse zurückstellen, sind diese trotzdem da und es ist die Aufgabe des Hundebesitzers dafür zu sorgen, dass das Wohlbefinden des Hundes nicht darunter leidet. Nun haben wir glücklicherweise keine Besitzer, wir sind „Frau im eigenen Haus“ und es ist unsere Aufgabe auf unser Wohlbefinden zu achten. Also nehmen wir doch – zumindest ab und zu mal und dann vielleicht auch immer öfter – die Energie, die Liebe und die Fürsorge, die wir anderen Menschen schenken und schenken sie einfach mal uns selbst.

In diesem Sinne wünsche Ich Ihnen einen wunderbaren sonnigen und liebevollen Weltfrauentag 2025.

2 Replies to “Lassen wir den „Will to please“ doch dort, wo er hingehört!”

  1. Liebe Susanne!
    Wunderbar auf den Punkt gebracht. Vielen Dank für deine geschriebenen Zeilen, in denen ich mich leider auch oft wieder gefunden habe.
    Liebe Grüße, Tanja

    • Liebe Tanja, ganz lieben Dank. Ich glaube, vom Kopf her ist uns vieles bewusst, es hapert mit der Umsetzung. Und glaube mir, da bin ich keinen Deut besser. 🙂

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