„SCHÖNER WOHNEN“ – von aufgeräumt war nie die Rede

Kennen Sie auch solche Menschen, bei denen es zu Hause immer aussieht, als hätte gerade ein Shooting für die Zeitschrift „Schöner Wohnen“ stattgefunden? Bei denen trotz drei Kindern, zwei Hunden, vier Katzen und einem kürzlich absolvierten Kindergeburtstag die stilvoll platzierte Dekoration nicht nur immer noch an Ort und Stelle steht, sondern sogar schon mehrere Wochen überlebt hat, ohne gefressen oder vom Tisch gefegt zu werden? Oder die sich mit dem Satz: „Klar, du kannst gerne reinkommen, allerdings ist bei mir überhaupt nicht aufgeräumt!“ für das benutzte Wasserglas entschuldigen möchten, das noch auf dem Esstisch steht? Keine Angst, ich spreche nicht von meinem Haushalt. Der sieht so aus, wie man es bei drei Kindern mit chronischer Unlust zum Aufräumen und einem Hund erwartet – noch dazu legt sich meine Familie jeden Tag unglaublich ins Zeug, um meine Erwartungen immer wieder zu übertreffen!

Ich gebe offen zu, ich hätte auch gerne so ein Haus, in dem auf einem schicken Sideboard ausgewählte Deko-Stücke stehen und wirkungsvoll zur Geltung kommen, trendige Sofa-Kissen lässig und ohne Schokoladenflecken und Chips-Krümel auf selbigem drapiert sind oder in dem auf der Küchentheke lediglich einige Ölkaraffen und die verchromte Kaffeemaschine in ihrer Schlichtheit bestechen. Es würde mir auch reichen, wenn man letztere auf direktem Wege erreichen könnte und nicht erst einen Haufen elektronischer Kleingeräte und Kinderspielzeug aus dem Weg schieben müsste, der darauf wartet, dass der schon lange fällige Batteriewechsel vollzogen wird.

Mehrere Versuche in dieser Hinsicht habe ich schon gestartet, angefangen bei unserer neuen Küche vor sechs Jahren. Viel Arbeits- und Abstellfläche, zwei große Durchreichen zum Wohnzimmer, die der Küchenfee zumindest oberflächlich das Gefühl geben, noch Teil des Familiengeschehens zu sein und ein Rollladenschrank, der dank des geradezu magischen Verkaufstalents des Küchenplaners („Damit ist schnell aufgeräumt; einfach alles dahinter packen und Rollladen runter – fertig!“) mein Herz im Sturm erobert hat. Außerdem ist die Küche mit etlichen großen Schubladen ausgestattet, in denen man alles verstauen könnte, was nicht herumliegen soll. Somit wäre genug Platz vorhanden, um einige wenige Accessoires effektvoll zu platzieren und dem Auge das Gefühl für endlose, aufgeräumte Weite zu bieten. Theoretisch!

Von Feen, Elfen, Kratzbäumen und anderen Deko-Irrtümern

Einen ähnlichen Plan hatte ich mit dem neuen Sideboard im Wohnzimmer, auf dem anfangs nur eine schlichte Schale aus Wurzelholz stand. Bevor die Bilderrahmen mit den Familienfotos dazukamen . . . und die Kerzenständer . . . und der Unitymedia-Rekorder . . . und der DVD-Spieler . . . und zufällig abgestellte Schleich-Elfen, Harry-Potter-Lego-Figuren oder Haarspangen. Die halbleere Wasserflasche, die seit Tagen vor den eben erwähnten Kerzenständern steht, hat mein Sohn (logischerweise) noch nicht in den Keller bringen können, weil diese doch offensichtlich als Platzhalter für mehrere Haargummis seiner kleinen Schwester dient. Würde er die Flasche wegräumen, wohin sollten dann Julias Haargummis? Bei dieser Art von Begründungen hinterfrage ich gelegentlich meine gesamte Weltanschauung.

Nachdem unser Kater Anfang seit einigen Monaten leider nicht mehr unter uns weilt und es auch nicht so aussieht, als würde ein Nachfolger einziehen, möchte ich den Kratzbaum eigentlich gerne entsorgen. Dieser ist jetzt jedoch zweckentfremdet und eigenwillig mit kunterbuntem Nylon-Kauspielzeug, Stofftieren (für den Hund), Schnüffelsäckchen (für den Hund), einem mehr oder weniger nassen Handtuch (ebenfalls für den Hund) und zahlreichen Bällchen (angesichts der stattlichen Anzahl hege ich den Verdacht, dass er heimlich Jonglieren übt – also der Hund!) dekoriert. Da Lennox das Spielzeug aus pädagogischen Gründen nicht rund um die Uhr zur freien Verfügung haben soll, wird es in Abhängigkeit der jeweiligen Wachstumsschübe immer eine Kratzbaumetage weiter nach oben verfrachtet. Außerdem dient es seinem eigenen Schutz, da er über die weitere Verwendung eines Gegenstandes erst dann nachdenkt, wenn er mit hundertprozentiger Sicherheit festgestellt hat, dass man ihn nicht fressen kann.

„Schön“ ist wohl eine Frage der Definition

Meine Schwiegermutter argumentiert gerne damit, dass ich dieses kunterbunte Chaos genießen soll, denn später, wenn die Kinder ausgezogen wären, würde es mir fehlen. Dann würde immer alles an Ort und Stelle stehen und ich hätte dann den ganzen Tag Ruhe und Stille – das müsse ich mir mal vorstellen! Habe ich, der spontane Schreck blieb allerdings zunächst aus. Zugegeben, die unzähligen Kastanien, die Julia im Herbst als Deko überall im Hause verteilt, würden mir vermutlich schon fehlen (dem Hund auch, denn die kann man ja fressen); auch der geschnitzte Halloween-Kürbis vor der Tür und ihr schon Anfang November weihnachtlich dekoriertes Kinderzimmer, in dem sie alle Stechpalmen- und Tannenzweige mit Kunstschnee verziert in den Regalen verteilt hat, die sie bei dem Adventsflohmarkt am vergangenen Wochenende mitnehmen durfte. Vielleicht auch die immer seltener werdenden gemeinsamen Mittagessen, bei denen alle drei gleichzeitig durcheinander reden, sich gegenseitig ins Wort fallen und sich hinterher darüber aufregen, dass ich die Hälfte nicht verstanden habe – obwohl ich doch zwei Ohren habe! Wenn ich richtig darüber nachdenke, dann ist es ja auch eindeutig sinnvoller, die Haargummis über die Wasserflasche zu hängen, denn wenn sie auf dem Boden liegen würden – Sie wissen schon, der Hund . . .

Auf den Punkt gebracht hat es dann letztlich meine große Tochter, die in ihrer unverwechselbaren, pubertär-warmherzigen Art sagte: „Es heißt ja auch ‚Schöner wohnen’, niemand hat was von aufgeräumt gesagt!“ ‚Schön’ ist wohl, wie sooft im Leben, eine Frage der Definition . . . J

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